Sonntag, 12. Mai 2013

Besuch in Schwabings Hinterhöfen

Bunt bedruckte Flyer, fein säuberlich gestapelt auf einem vollgestopften Tapeziertisch. "Wir brauchen doch keine Landkarte für Schwabing", lachten wir, als wir erkannten, dass es sich um einen Lageplan für die Hofflohmärkte handelte. Es stellte sich heraus: Wir brauchten sie doch. Die Masse an Ständen stiftete schnell Verwirrung. Ein Kampf durch die Straßen des schönen Stadtviertels.

Ein Hinterhof in Schwabing wird zur Verkaufsfläche

Alte Trockenhauben, Teegeschirr, Brigitte-Magazine. In Schwabing verkaufte sich vergangenes Wochenende alles, was nicht angekettet wurde. Anwohner benachbarter Straßen schlossen sich zu insgesamt 96 Hofflohmärkten zusammen und öffneten Tür und Tor zu ihren Welten. Allen voran waren dabei junge Familien mit ausgewaschener Kinderkleidung und Spielzeug, das nicht mehr gebraucht wurde. Von Gummistiefel und Strampelanzug bis hin zu Mini-Autos und Teddybären lag alles auf ihren Präsentiertischen. Neben ihnen gab es ein buntes Sammelsurium von Studenten, die Dachböden und Keller geplündert haben und sich so einiges an Verkaufsmaßnahmen einfielen ließen. So wurden die abzugebenden Inliner noch für die letzte Runde auf der Kaiserstraße übergestreift, um jeden Interessenten - den Preis lauthals brüllend - anzulocken.
Zwischen viel Ramsch gab es einige Schätze von eingefleischten Schwabingern. Ein älteres Paar, das es sich Händchen haltend neben ihrem Stand gemütlich gemacht hatte, brachte Kult-Sonnenbrillen und Schallplatten ans Tageslicht. Zwei Straßen weiter traf man auf theatralisch hergerichtete Damen und deren außergewöhnliche Kleider und Abendroben, die genauso gut aus einem Kostümverleih stammen konnten. Erbschmuck, Fuchspelze und Antiquitäten rundeten das Bild ab, bei dem das Herz regelmäßig ein klein wenig höher schlug. Manchmal ging es jedoch weniger um die Stücke selbst, als um die Menschen dahinter. Vieles erzählt nicht nur Geschichten, sondern spricht wahre Bände, wie ein aus den 40er Jahren stammender Handspiegel. Es wird ein intimer Einblick in das Leben der Menschen hinter den Tischen gewährt. Umso gemeiner erscheinen die Besucher, die versuchten, die ohnehin schon günstigen Preise weiter zu drücken.

Ob es nun das Reclamheft, das Modelexikon oder der Schundroman sein sollte: Für Literatur wurde hauptsächlich am Nikolaiplatz im Vorgarten der Seidlvilla gesorgt. Das Büchermeer war ein Angebot von Frauen jeden Alters vom Projekt "Nachbarschaft Schwabing". Die Grundidee des Verbands ist es, den Nachbarschaftssinn zu stärken und miteinander in Kontakt zu treten. So starteten sie damals die Hofflohmärkte in ihrem Stadtviertel und organisieren sie bis heute.

Kleine selbstgemachte Mahlzeiten zur Stärkung
Für Hungrige boten Standbesitzer Snacks, wie selbstgebackene Cupcakes, Kuchen und Salate ab 50 Cent an. Sogar der Duft eines Barbecues wehte hin und wieder durch die Stren und regte den Appetit mächtig an. Zwischen den Ständen spielten Kinder und Hunde ausgelassen miteinander; Musik klang unregelmäßig aus kleinen tragbaren Lautsprechern, die mit Smartphones verbunden waren. Die Stimmung auf den Schwabinger Hofflohmärkten war entspannt und vertraut, fast schon intim. Sie glichen viel mehr einer Einladung von Freunden, an einem Samstag Mittag mal wieder vorbeizuschauen.




1 Kommentar:

Doro hat gesagt…

Hallo ihr Lieben,

ich finde das Layout und die Aufmachung eures Blogs sehr schön und ansprechend. Die Idee über Flohmärkte zu schreiben ist super und hilft hoffentlich dabei die Menschen zum Stöbern zu animieren.

Der Text ist lebhaft geschrieben und ich komme mir so vor, als wär ich selbst dort gewesen. Durch die detailreiche Erzählung kann man sich gut ein Bild von dem ganzen Spektakel machen.

Ein kleiner Verbesserungsvorschlag, oder besser ein Wunsch von mir, betrifft die Fotos. Ich hätte eine kleine Collage schön gefunden, auf der man die oben erwähnten Schallplatten, Antiquitäten, Schmuck und ganz besonders das Händchen haltende Ehepaar gesehen hätte. Ich hätte gerne gewusst welche musikalischen Klassiker angeboten wurden und wie die dazugehörigen Besitzer ausgesehen haben!:)

Ansonsten habe ich nichts auszusetzen - bin schon gespannt in welchen Hinterhof euch euer nächster Ausflug führt und welche Schätze ihr dort ausgraben werdet!:)